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Herr und Knecht

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Wasili Andrejitsch trat zu seinem Schlitten (er konnte in der Dunkelheit nur mit Mühe unterscheiden, wo dieser stand), stieg hinein und ergriff die Leine.

„Na, dann fahr voran!“ rief er.

„Zurückfahren möchte ich schon ganz gern, Wasili Andrejitsch; aber nach welcher Seite sollen wir fahren? Hier ist eine so zerklüftete Gegend, wenn wir da irgendwo mit dem Schlitten hineinfallen, kommen wir nicht wieder heraus. Ich bin da so hinuntergeschurrt, daß ich mich nur mit Not und Mühe wieder heraufgearbeitet habe.“

„Zum Teufel, wo warst du denn geblieben?“ schalt dieser ärgerlich den Herankommenden. „Wir müssen zurückfahren. Meinetwegen wollen wir nach Grischkino zurückkehren.“

„Wasili Andrejitsch, wo sind Sie?“ rief er.

„Was sollen wir nun also tun?“

„Warten Sie einen Augenblick.“

„Vielen Dank, lieber Peter!“

„Nun, was gibt's?“ fragte Wasili Andrejitsch.

„Nun, dann fahrt mit Gott weiter!“

„Nun, Freundchen, leg dich mal ordentlich ins Zeug!“ rief er dem Pferde zu; aber das Pferd ging trotz alles Schüttelns mit der Leine nur im Schritt. Der Schnee lag stellenweise knietief, und der Schlitten kam bei jeder Bewegung des Pferdes nur mit einem Ruck vorwärts.

„Nikita! He! Nikita!“ rief Wasili Andrejitsch von oben. Aber Nikita antwortete nicht auf den Ruf.

„Nach rechts müssen wir fahren,“ sagte er kurz und in bestimmtem Tone und wendete das Pferd.

„Na, zu! zu! Keine Angst, du wirst nicht ertrinken!“ rief Nikita.

„Na, wenn du das meinst, wollen wir nach rechts fahren,“ erwiderte Wasili Andrejitsch, überließ ihm die Leine und schob seine frierenden Hände in die Ärmel. „Und wenn wir auch nur nach Grischkino zurückkommen.“

„Na, aber wir können hier doch nicht stehen bleiben; irgendwohin müssen wir doch fahren!“ sagte Wasili Andrejitsch.

„Laß mich erst wieder zu Atem kommen,“ sagte er und knüpfte das Tuch auf, das er sich in dem Dorfe um den Kragen seines Pelzes gebunden hatte.

„Ja, was gibt's! Ich bin ganz matt. Und das Pferd kann auch nicht mehr.“

„Ja, es ist ein tüchtiger Bursche, so ein richtiger Bauer,“ erwiderte Nikita.

„Ich komme, ich komme. Was schreist du so?“ sagte er vor sich hin.

„Hierher, mir nach!“ rief Nikita, sich schnell nach rechts wendend, ergriff den Braungelben am Zügel und lenkte ihn in eine Schneewehe hinein. Das Pferd sträubte sich anfangs, machte aber dann einen starken Satz, in der Hoffnung, über die Schneewehe hinüberzuspringen; jedoch reichte seine Kraft nicht dazu aus, und es versank in den Schnee bis an das Kumt. „Steigen Sie doch aus!“ schrie Nikita seinen Herrn an, der im Schlitten sitzen geblieben war, faßte unter die eine Deichselstange und versuchte, den Schlitten an das Pferd heranzuschieben. „Ja, es geht ein bißchen schwer, Brüderchen,“ wandte er sich an den Braungelben. „Aber was ist zu machen? Gib dir mal rechte Mühe! Zu! Zu! Noch ein bißchen!“ schrie er. Das Pferd zog einmal und noch einmal an, vermochte aber trotzdem nicht, sich herauszuarbeiten, und blieb wieder stecken. Es machte eigentümliche Bewegungen mit den Ohren und legte schnuppernd den Kopf auf den Schnee, wie wenn es über etwas nachdächte. „Na aber, Brüderchen, so ist das nicht gut,“ sagte Nikita ermahnend zu dem Braungelben. „Los, noch einmal!“ Wieder zog Nikita auf seiner Seite an der Deichselstange. Wasili Andrejitsch tat auf der andern Seite dasselbe. Das Pferd drehte den Kopf hin und her; dann gab es sich auf einmal einen starken Ruck.

„Hier,“ antwortete Wasili Andrejitsch. „Nun, wie steht's?“

„Halt, brr, halt!“ rief er sich selbst zu, während er hinabsank und einen Halt suchte; aber es gelang ihm nicht eher, zum Stillstand zu kommen und festen Fuß zu fassen, als bis er mit den Beinen in eine am Grunde der Schlucht zusammengewehte tiefe Schneeschicht hineingefahren war.

„Fahren Sie hinter mir her,“ sagte er und ging vor dem Pferde voran.

„Es ist nichts zu unterscheiden. Es ist zu dunkel. Überall Schluchten. Wir müssen wieder gegen den Wind fahren.“

„Ei sieh mal, was das für ein Dichter ist,“ sagte Wasili Andrejitsch und schüttelte mit der Leine.

„Der Wald muß doch gleich kommen,“ dachte Wasili Andrejitsch, und erregt durch den genossenen Branntwein und Tee, trieb er unaufhörlich das Pferd mit den Zügeln an, und das folgsame, gute Tier gehorchte und lief bald im Paßgang bald in kurzem Trabe dahin, wohin es gelenkt wurde, obwohl es wußte, daß sein Herr es ganz und gar nicht nach der richtigen Seite lenkte. Es vergingen noch zehn Minuten; der Wald wollte immer noch nicht kommen.

„Der Schneesturm verdunkelt den Himmel schier, wild wirbeln die Flocken im Wind,“ rief Peter und verschwand.

„Da rechts ist eine Merkstange, da die zweite, da die dritte,“ zählte Wasili Andrejitsch im stillen. „Und da vorn ist auch der Wald,“ dachte er, da er etwas Dunkles vor sich erblickte. Aber was er für einen Wald gehalten hatte, war nur ein Strauch. Sie fuhren an dem Strauche vorbei, sie fuhren noch etwa sechzig Schritt weiter: aber es war weder von der vierten Merkstange noch vom Walde etwas zu sehen.

„Da haben wir ja wieder den Weg verloren!“ sagte Wasili Andrejitsch und hielt das Pferd an.

„Aber was ist das für ein Benehmen von euch,“ sagte Nikita vorwurfsvoll, sich an die Schneewachte und an die Schlucht wendend, und schüttelte sich den Schnee aus dem Kragen.

Wieder fuhren sie eine Strecke; wieder ging Nikita im Schnee umher und fiel dabei; wieder setzte er sich in den Schlitten; wieder ging er und fiel; und endlich blieb er, keuchend vor Erschöpfung, bei dem Schlitten stehen.

Wasili Andrejitsch schwieg, als ob er jetzt alle weiteren Entscheidungen seinem Knechte anheimstelle. Nachdem Nikita seine Stiefel wieder angezogen hatte, nahm er die Beine in den Schlitten herein, zog seine Fausthandschuhe wieder an, ergriff die Leine und lenkte das Pferd an der Schlucht entlang. Aber sie waren noch nicht hundert Schritte weit gefahren, als das Pferd wieder jählings stehen blieb. Es hatte wieder eine Schlucht vor sich.

Wasili Andrejitsch hatte ganz darauf verzichtet, irgendwelche Weisungen zu geben, sondern tat gehorsam, was ihm Nikita sagte.

Wasili Andrejitsch führte die Zügel, überließ aber meist dem Pferde, selbst dafür zu sorgen, daß sie auf dem Wege blieben. Aber trotzdem der Braungelbe sich im Dorfe ausgeruht hatte, lief er doch nur ungern, und es machte den Eindruck, als ob er vom Wege abbiegen wollte, so daß Wasili Andrejitsch ihn einige Male zurechtlenken mußte.

Sie fuhren weiter. Nikita hatte sich tief eingemummt und den Kopf so in die Schultern hineingezogen, daß sein kleiner Bart ihm den Hals bedeckte; so saß er schweigend da, darauf bedacht, die durch den Tee in seinem Körper angesammelte Wärme nicht wieder zu verlieren. Vor sich sah er die geraden Linien der Gabeldeichsel, die ihn fortwährend in die Täuschung versetzten, als ob da ein vielbefahrener Weg sei, und das hin und her schaukelnde Hinterteil des Pferdes mit dem nach einer Seite gewendeten, in einen Knoten gebundenen Schwanze, und weiter vorn das hohe Krummholz und den auf und ab gehenden Kopf und Hals des Pferdes mit der auseinanderflatternden Mähne. Mitunter fiel sein Blick auf Merkstangen, so daß er wußte, daß sie noch auf dem Wege fuhren und es für ihn nichts zu tun gab.

Peter, der in seinem Schlitten kniete, trieb sein Pferd an. Der Braungelbe, der schon lange gewiehert hatte, da er die Stute vor sich witterte, rannte ihr nach, und sie kamen auf die Dorfstraße hinaus. Wieder fuhren sie durch die Ortschaft, auf demselben Wege, an demselben Gehöfte mit der aufgehängten, steif gefrorenen Wäsche vorbei, die jetzt nicht mehr zu sehen war, vorbei an derselben Darre, die bereits fast bis zum Dache verschneit war, und von der unaufhörlich der Schnee herunterrieselte, vorbei an denselben traurig raschelnden, pfeifenden, sich biegenden Weidenbäumen, und fuhren nun wieder hinein in das von oben und unten her tobende Meer von Schnee. Der Wind war so stark, daß, da er von der Seite kam und gegen die Fahrenden wie gegen ein Segel drückte, er den Schlitten aufkippte und das Pferd zur Seite legte. Peter fuhr mit seiner flott austrabenden tüchtigen Stute voran und stieß von Zeit zu Zeit einen ermunternden Schrei aus. Der Braungelbe lief hinter ihr her.

Nikita stieg wieder aus und begann wieder im Schnee umherzuwaten. Das dauerte ziemlich lange. Endlich erschien er wieder, und zwar von derjenigen Seite, welche der, nach der er sich entfernt hatte, gerade entgegengesetzt war.

Nikita stieg schweigend aus dem Schlitten, und seinen Mantel haltend, der infolge des Windes ihm bald dicht am Körper klebte, bald sich bauschte und von ihm weg wollte, machte er sich daran, durch den Schnee zu waten; er ging nach der einen, er ging nach der anderen Seite. Dreimal verschwand er ganz aus der Sehweite. Endlich kehrte er zurück und nahm seinem Herrn die Leine aus der Hand.

Nikita griff nach der Peitsche, die am Vorderteile des Schlittens hing, und schlug das Pferd. Das gute, an solche Behandlung nicht gewöhnte Tier machte ein paar heftige Sätze und setzte sich in Trab, ging dann aber sogleich wieder in Paßgang und in Schritt über. So fuhren sie etwa fünf Minuten. Es war so dunkel, und der Schnee stiebte so dicht von oben und von unten, daß mitunter nicht einmal das Krummholz zu sehen war. Manchmal schien es, als ob der Schlitten auf einem Fleck stillstände und das Feld nach hinten hin liefe. Plötzlich machte das Pferd kurz halt; offenbar witterte es vor sich irgend etwas Unheimliches. Nikita sprang, die Leine hinwerfend, wieder behende hinaus und ging vor das Pferd, um nachzusehen, weshalb es stehen geblieben sei; aber kaum hatte er einen Schritt über den Kopf des Pferdes hinaus gemacht, als ihm die Füße ausglitten und er einen Abhang hinunterrutschte.

Nikita ging nochmals weg und kehrte bald zurück.

Nikita gab keine Antwort. Er setzte sich auf den Schlitten, mit dem Rücken gegen den Wind, zog sich die Stiefel aus und schüttelte den Schnee heraus, der ihm da hereingekommen war; dann nahm er etwas Stroh und verstopfte damit sorgfältig von innen ein Loch im linken Stiefel.

Nikita antwortete nicht.

Erst als er schon ganz dicht beim Schlitten war, erblickte er das Pferd und den neben dem Schlitten stehenden Wasili Andrejitsch, der übermäßig groß erschien.

Er hatte keine Zeit; er mußte sich den Schnee abschütteln und dann die Peitsche suchen, die er beim Herunterrutschen von dem Abhange verloren hatte. Als er die Peitsche gefunden hatte, wollte er geradeswegs wieder da hinaufklettern, wo er herabgeglitten war; aber dies war ein Ding der Unmöglichkeit; er rutschte immer wieder zurück, so daß er unten umhergehen mußte, um eine geeignete Stelle zum Aufstieg zu suchen. Ungefähr acht Schritte entfernt von der Stelle, wo er heruntergerutscht war, kroch er mühsam auf allen vieren die Anhöhe hinauf und ging nun am Rande der Schlucht nach der Stelle zu, wo das Pferd sein mußte. Indessen Pferd und Schlitten waren nicht zu sehen; aber da er gegen den Wind ging, so hörte er, bevor er noch etwas sah, das Schreien Wasili Andrejitschs und das Wiehern des Braungelben, die ihn riefen.

Eine am oberen Rande der Schlucht überhängende Schneewachte war durch Nikitas Fall erschüttert worden, stürzte auf ihn herunter und schüttete ihm Schnee in den Nacken.

Ein Sprung, ein zweiter, ein dritter – endlich hatte sich das Pferd aus der Schneewehe herausgearbeitet und blieb nun, schwer atmend und sich schüttelnd, stehen. Nikita wollte es weiterführen; aber Wasili Andrejitsch war in seinen zwei Pelzen so außer Atem gekommen, daß er nicht imstande war zu gehen und sich in den Schlitten warf.

Als sie so etwa zehn Minuten lang gefahren waren, wandte sich Peter um und rief ihnen etwas zu. Weder Wasili Andrejitsch noch Nikita konnte es bei dem Winde verstehen. Aber sie vermuteten, daß sie bei der Wegscheide angekommen seien. Und wirklich bog Peter links ein, und der Wind, der bisher von der Seite gekommen war, blies ihnen jetzt wieder entgegen, und da wurde auch durch den Schnee hindurch etwas Dunkles sichtbar. Das war das Gesträuch an der Wegscheide.

„Hier macht das nichts aus; hier können Sie im Schlitten liegen,“ erwiderte Nikita. „Ich will das Pferd führen.“

Und während Wasili Andrejitsch im Schlitten lag, führte Nikita das Pferd am Zaum etwa zehn Schritte abwärts, dann ein wenig aufwärts und machte halt.

Die Stelle, wo Nikita halt gemacht hatte, lag nicht in einer Mulde, wo sich der Schnee hätte anhäufen können; aber sie war doch teilweise durch eine Anhöhe gegen den Wind geschützt. Es gab Augenblicke, wo man im Schutze der Anhöhe glauben konnte, der Wind habe sich ein wenig gelegt; aber das dauerte nicht lange, und als wollte er diese Ruhepause wieder einbringen, brauste darauf der Sturm mit verzehnfachter Gewalt einher, raste noch ärger als vorher und brachte noch dichtere Schneewirbel mit sich. Ein solcher Windstoß erfolgte gerade in dem Augenblicke, als Wasili Andrejitsch, der sich wieder erholt hatte, aus dem Schlitten gestiegen und zu Nikita herangetreten war, um mit ihm zu besprechen, was nun weiter zu tun sei. Beide bückten sich unwillkürlich und warteten mit ihrem Gespräche, bis die Wut dieses Windstoßes vorüber sein würde. Auch der Braungelbe drückte unzufrieden die Ohren an und schüttelte mit dem Kopfe. Sobald der Windstoß einigermaßen vorbei war, zog sich Nikita die Handschuhe aus, steckte sie in seinen Gurt, hauchte in die Hände und machte sich daran, das Lenkseil vom Krummholz abzulösen.

„Was tust du denn da?“ fragte Wasili Andrejitsch.

„Ich spanne das Pferd aus; was sollen wir denn noch weiter tun? Meine Kraft ist zu Ende,“ antwortete Nikita; es klang, als ob er sich entschuldigen wollte.

„Können wir denn nicht irgendein Obdach erreichen?“

„Nein, wir können kein Obdach erreichen; wir quälen nur das Pferd zunichte. Das liebe Tier ist ja schon jetzt ganz erschöpft,“ sagte Nikita und wies auf das Pferd, das gehorsam und zu allem bereit dastand und schwer keuchend die von Schweiß feuchten Weichen bewegte. „Wir müssen hier übernachten,“ erklärte er, in demselben Tone, wie wenn er sich anschickte, in einer Herberge über Nacht zu bleiben, und begann den Kumtriemen aufzubinden. Die beiden Bügel des Kumts sprangen auseinander.

„Werden wir aber auch nicht erfrieren?“ fragte Wasili Andrejitsch.

„Was ist zu machen? Wenn wir erfrieren, müssen wir's eben hinnehmen,“ antwortete Nikita.

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