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Anna Karenina

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„Was haben wir denn für eine Marschroute? Erzähle doch gefälligst ein wenig,“ sagte Stefan Arkadjewitsch.

„Der Plan ist folgender: Jetzt werden wir bis Gwozdjowo fahren. In Gwozdjowo befindet sich diesseits eine Niederung mit Schnepfen, hinter Gwozdjowo aber ziehen sich wunderbare Bekassinensümpfe hin, und Schnepfen sind auch da. Es ist jetzt heiß; wir werden gegen Abend — es sind noch zwanzig Werst — ankommen, ein Abendfeld nehmen, dann übernachten, und morgen schon in die großen Sümpfe gehen.“

„Zu Dreien wird es uns zu eng werden. Ich werde hier bleiben,“ sagte Lewin, in der Hoffnung, daß sie nichts finden möchten als Kibitze, die sich vor den Hunden erhoben und sich im Fluge überschlagend, kläglich über dem Sumpfe schrieen.

„Wollen wir nicht hinfahren?“ sagte er, auf den Sumpf weisend.

„Weshalb hältst du ihn denn nicht zurück?“ rief Stefan Arkadjewitsch.

„Richtig ist das; es wird zu eng! — Laska, zurück; — Laska! — Braucht Ihr dann nicht einmal einen anderen Hund?“

„O doch, aber wir würden uns da nur aufhalten und es ist heiß. Es giebt zwei ausgezeichnete Plätze, aber schwerlich wird es da etwas geben.“

„Nun da seht Ihr, daß ich den Sumpf nicht bedauerte,“ sagte Lewin, „wohl aber den Zeitverlust.“

„Nein! — Kommt! Wir wollen zusammen gehen, Lewin!“ rief Wjeslowskij.

„Lewin bitte; wie reizend!“ begann Wasjenka Wjeslowskij zu bitten, und Lewin mußte einwilligen.

„Krak! Laska!“

„Jetzt geht Ihr, und ich will bei den Pferden bleiben,“ sprach er.

„Hol' ihn der Teufel,“ sagte Lewin zu sich selbst, zu der feststeckenden Equipage zurückkehrend. „Weshalb seid Ihr denn fortgefahren,“ sagte er mit dürren Worten zu ihm, und machte sich, nachdem er den Kutscher herbeigerufen hatte, daran die Pferde loszubringen.

„Geh, geh Stefan!“ rief Lewin, welcher fühlte, wie ihm das Herz höher zu schlagen begann, und wie plötzlich, gleich als ob sich ein Riegel in seiner seelischen Spannung zurückbewege, alle Geräusche, den Maßstab ihrer Entfernung verlierend, ihn ungeregelt, aber scharf zu treffen begannen. Er vernahm die Schritte Stefan Arkadjewitschs, sie für das ferne Stampfen der Pferde haltend, er vernahm das spröde Geräusch der mit den Wurzeln sich loslösenden Ecke eines Maulwurfhaufens, auf welchen er getreten war, indem er dasselbe für den Flug eines Vogels hielt. Er vernahm auch im Rücken in nicht großer Entfernung ein Klatschen auf dem Wasser, von welchem er sich nicht Rechenschaft zu geben vermochte.

„Er wird dich nicht schrecken,“ antwortete Lewin, voll Freude über seinen Hund, und ihm eilig folgend.

„Ach nein; es war immerhin ganz hübsch! Habt Ihr es gesehen?“ sprach Wasjenka Wjeslowskij, unbehilflich auf den Wagen kletternd, die Flinte und den Kibitz in den Händen. „Wie ich den gut getroffen habe, nicht wahr? Nun, werden wir denn bald an den richtigen Ort kommen?“

„Aber giebt es denn unterwegs nichts?“

Bon appétit — bonne conscience! Ce poulet va tomber jusqu'au fond de mes bottes,“ sagte Wjeslowskij, wieder lustig geworden, mit einem französischen Sprichwort, ein zweites Hühnchen verspeisend. „Jetzt sind unsere Leiden zu Ende und alles wird nun glücklich gehen. Nur will ich wegen meines Vergehens dazu gezwungen sein, auf dem Bocke zu sitzen. Ist es nicht recht so? Nein, ich bin Automedon! Paßt auf, wie ich Euch fahren werde!“ versetzte er, ohne die Zügel loszugeben, als ihn Lewin bat, den Kutscher fahren zu lassen. „Nein; ich muß mein Vergehen wieder gut machen, und befinde mich ganz wohl auf dem Bocke,“ und er fuhr.

Überzeugt, daß er einen Fehlschuß gethan, blickte er um sich und gewahrte, daß die Pferde mit dem einen Jagdwagen gar nicht mehr auf dem Wege, sondern im Sumpfe waren.

Wjeslowskij, welcher das Schießen hatte sehen wollen, war in den Sumpf gefahren und hatte die Pferde in eine Untiefe geführt.

Sogleich bei der Ankunft witterte Krak nach den Maulwurfshügeln. Wasjenka Wjeslowskij lief als der Erste hinter dem Hunde her und Stefan Arkadjewitsch war noch nicht herangekommen, als schon ein Vogel aufging. Wjeslowskij schoß fehl und der Vogel ließ sich in einer ungemähten Wiese wieder nieder. Wjeslowskij aber war diese Beute bestimmt. Krak fand sie wieder auf, stellte sie und er schoß sie und kehrte dann zu dem Wagen zurück.

Sie hatten noch nicht Halt gemacht, als schon die Hunde, sich gegenseitig jagend, dem Sumpf zuflogen.

Plötzlich rissen die Pferde in das Geschirr, Lewin schlug mit dem Kopf an den Lauf eines der Gewehre, und ein Schuß ging los. Der Schuß an sich ertönte schon früher, aber es schien Lewin nur so. Wasjenka Wjeslowskij hatte, die Hähne in Ruhe setzend, den einen Drücker berührt, während er den andern Hahn gehalten hatte.

Nachdem alles wieder in Ordnung gebracht war, und die Wagen sich wieder auf dem Wege befanden, ließ Lewin das Frühstück bringen.

Lewin war verdrießlich geworden, daß man ihn im Schießen gestört und die Pferde in den Sumpf geführt hatte, hauptsächlich aber auch, daß bei dem Ausspannen der Pferde, was erforderlich war um sie wieder freizumachen, weder Stefan Arkadjewitsch, noch Wjeslowskij ihm und dem Kutscher Hilfe leisteten, weil weder dieser noch jener auch nur den geringsten Begriff davon hatte, worin eigentlich das Anschirren bestehe. Ohne Wjeslowskij ein Wort auf dessen Versicherung, es sei hier ganz trocken, zu antworten, arbeitete Lewin schweigend mit dem Kutscher daran, die Pferde zu befreien.

Lewin sah, daß er mit der Flinte die Bekassine von hinten treffen werde, schoß aber gleichwohl.

Lewin hatte selbst Lust, nach jenen Plätzen zu gehen, aber dieselben lagen seiner Wohnung zu nahe und er konnte sie stets erreichen; die Plätze waren auch klein — drei konnten nicht auf ihnen schießen. Infolge dessen schlug er im Geiste einen Haken, und sagte, es dürfte kaum etwas dort zu finden sein. Als sie an dem kleinen Sumpfe angekommen waren, wollte Lewin vorüberfahren, doch der erfahrene Jägerblick Stefan Arkadjewitschs unterschied sogleich die vom Wege her sichtbare Feuchtigkeit.

Lewin blieb bei dem Wagen und schaute voll Mißgunst auf die Jäger. Diese durchwanderten den ganzen Sumpf, aber außer einer Henne und Kibitzen, von denen Wjeslowskij einen erlegte, war nichts darin.

Lewin begann der Jagdneid zu ergreifen. Er übergab Wjeslowskij die Zügel und begab sich in den Sumpf.

Laska, der schon lange kläglich gewinselt und sich über die Ungerechtigkeit beklagt hatte, eilte vorauf direkt nach einem verheißungsvollen, Lewin bekannten Gebiet, in welches Krak noch nicht gekommen war.

Indem er sich einen Standort für die Füße suchte, bewegte er sich auf seinen Hund zu.

Eine Bekassine machte sich vor dem Hunde auf. Lewin legte das Gewehr an, aber in dem Augenblicke, als er zielte, verstärkte sich jenes Geräusch von Klatschen auf dem Wasser; es kam näher, und mit ihm vereinigte sich die Stimme Wjeslowskijs, der in sonderbarer Weise laut rief.

Die Ladung ging in die Luft, ohne jemand Schaden zuzufügen. Stefan Arkadjewitsch schüttelte den Kopf und lächelte Wjeslowskij vorwurfsvoll zu, Lewin aber war nicht in der Stimmung, ihm einen Vorwurf zu machen; erstens wäre jeder Vorwurf nur durch die vorübergegangene Gefahr und die Beule, welche auf der Stirn Lewins auftrat, hervorgerufen erschienen, zweitens aber war Wjeslowskij anfangs so naiv ärgerlich, und fing dann so gutmütig und ansteckend an über die allgemeine Aufregung zu lachen, daß es unmöglich war, nicht mit zu lachen.

Die Hunde kehrten zurück.

Auf der Suche Laskas wuchs, je näher dieser den bekannten Hügeln kam, mehr und mehr der Ernst der Situation. Ein kleiner Sumpfvogel zerstreute diesen nur auf einen Augenblick. Er beschrieb einen Kreis vor den Hügeln, begann einen zweiten, erschrak dann plötzlich und verschwand.

Als sie an den zweiten Sumpf gelangten, welcher ziemlich groß war, und daher viel Zeit in Anspruch nehmen mußte, suchte Lewin dahin zu wirken, daß man nicht hineinging. Doch Wjeslowskij besiegte ihn wieder durch sein Bitten, und wiederum blieb Lewin, als gastfreundlicher Wirt, bei dem Wagen zurück.

Als er indessen bei der Arbeit warm geworden war und sah, wie beflissen und eifrig Wjeslowskij den Wagen an der Deichselstange zog, sodaß er diese sogar abbrach, machte er sich selbst Vorwürfe darüber, daß er unter dem Einfluß der gestrigen Empfindung allzu kalt gegen Wjeslowskij gewesen war, und bemühte sich mit besonderer Liebenswürdigkeit seine Barschheit wieder gutzumachen.

Lewin fürchtete ein wenig, er möchte die Pferde malträtieren, besonders das Handpferd, einen Fuchs, den er nicht zu lenken verstand; doch unwillkürlich fügte er sich seiner Heiterkeit, lauschte er den Romanzen, welche Wjeslowskij, auf dem Bocke sitzend, den ganzen Weg entlang sang, oder seinen Erzählungen und Vorführungen, wie man auf englische Manier four in hand fahre — und alle fuhren nach dem Frühstück in der heitersten Stimmung nach dem Sumpfe von Gwozdjowo.

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